In den letzten Jahren haben Tätowierungen an Popularität gewonnen und sind zu einem weit verbreiteten Ausdruck von Individualität geworden. Doch während viele Menschen die ästhetische Seite von Tattoos schätzen, bleibt die Frage nach möglichen gesundheitlichen Risiken oft unbeantwortet. Im Rahmen der NAKO Gesundheitsstudie untersucht das Forschungsprojekt Tattoo inK, ob Tätowierungen das Risiko für Krebserkrankungen erhöhen können. Anlässlich des Welt-Tattoo-Tags am 21.03.2025 geben uns Dr. Lena Koch-Gallenkamp, Projektleiterin von Tattoo inK (Abkürzung für „TattoosinnationalenKohorten“)und Dr. Milena Foerster, wissenschaftliche Leiterin von Tattoo inK Einblicke in die Ziele, Methoden und Perspektiven dieser Studie. Koch-Gallenkamp ist Wissenschaftlerin in der Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Foerster arbeitet als Epidemiologin an derInternationalen Krebsforschungsagentur (IARC)in Lyon.
Wasmöchten Sie überTattoo-Farbenherausfinden?
Ganz generell wollen wir herausfinden, ob Tätowierungen Krebs erzeugen können. Trotz der großen Popularität von Tätowierungen und deren jahrtausendlange Geschichte ist bislang noch sehr wenig über deren potentielle Langzeitfolgen für die Gesundheit bekannt, was sicherlich für viele Menschen überraschend klingt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass in toxikologischen Analysen von Tätowier-Tinten, welche chemische Mischungen von organischen und anorganischen Farbpigmenten mit diversen Zusatzstoffen sind, immer wieder krebserregende und andere gefährliche Stoffe festgestellt werden.
„Trotz der großen Popularität von Tätowierungen und deren jahrtausendlange Geschichte ist bislang noch sehr wenig über deren potentielle Langzeitfolgen für die Gesundheit bekannt, was sicherlich für viele Menschen überraschend klingt.“
Dr. Lena Koch-Gallenkamp, Projektleiterin Tattoo inK
Während des Tätowier-Vorgangs werden diese Tinten intradermal, also unter die Haut, injiziert. Der größte Teil der Tinten wird relativ zeitnah in die lokalen Lymphknoten abtransportiert. Dabei gehen wir heute davon aus, dass die Pigmentkonzentration in den betreffenden Lymphknoten in etwa sieben Mal höher als in der tätowierten Haut ist. Da Krebs in erster Linie dort auftritt, wo auch die Konzentration krebserregender Stoffe am höchsten ist, sind insbesondere Lymphome, aber natürlich auch Hautkrebs von besonderem Interesse.
„Was genau mit den Pigmenten in den Lymphknoten passiert, ist zum heutigen Zeitpunkt noch unbekannt. Es könnte jedoch zu einer chronischen Entzündungsreaktion kommen, welche die Entstehung von Krebs begünstigen kann.“
Dass bestimmte Farben einen Einfluss auf mögliche Langzeiteffekte haben, ist ebenfalls möglich, da in unterschiedlichen Farben auch unterschiedliche chemische Pigmentklassen mehr oder weniger häufig auftreten. Diese könnten aufgrund ihrer chemischen Struktur und Löslichkeit auch auf vielfältige Weise mit unserem Körper interagieren. So sind beispielsweise für grell rote, gelbe oder orangene Tätowierungen auch andere Krebsformen wie Nieren- oder Blasenkrebs von Interesse, da die entsprechenden Pigmente leichter löslich sind und deren Abbauprodukte von diesen Organen metabolisiert und abgebaut werden könnten.
„Was wir jedoch mit unserer Studie ausdrücklich nicht herausfinden können, ist, inwieweit ganz bestimmte chemische Stoffe für ein mögliches Krebsentstehen verantwortlich sein könnten. Da Tätowierungen immer Mischungen aus vielerlei unterschiedlicher Substanzen sind, ist eine solche Untersuchung in epidemiologischen „real-life“ Studien nicht möglich.“
Dr. Milena Foerster, Wissenschaftliche Projektleiterin Tattoo inK
Was wissen wir bisher über gesundheitliche Risikenoder Nebenwirkungen vonTattoo-Farben?
Tätowierungen können eine Reihe von Nebenwirkungen mit sich bringen, jedoch sind die meisten davon relativ selten. Dabei gibt es unterschiedliche Arten von Nebenwirkungen, einerseits dermale Komplikationen, welche direkt mit den Tattoopigmenten in Verbindung stehen. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Granulome, welche optisch als Verdickungen oder Wölbungen der tätowierten Haut wahrzunehmen und durch zu starke Pigmentkonzentrationen meist in schwarzen Tätowierungen zustande kommen. Mit höherem Leidensdruck für die Tätowierten verbunden sind jedoch allergische Reaktionen auf bestimmte in Tinten enthaltene Substanzen, welche sich mit schmerzhaften Ulzern oder Plaques auf der tätowierten Haut lokal abgegrenzt manifestieren; solche Überempfindlichkeiten können auch noch Jahre nach der Tätowierung entstehen. Abgesehen von solchen dermalen Reaktionen, gibt es infektiöse Komplikationen bakterieller oder viraler Natur, welche durch schlechte Hygiene während des Tätowier-Vorgangs oder auch der Nachpflege entstehen können. Während sich bakterielle Infektionen direkt manifestieren, können virale Infektionen wie Hepatitis C jahrelang unentdeckt bleiben und schwere Langzeitfolgen nach sich ziehen. Die Häufigkeit solcher Komplikationen ist leider sehr ungewiss, virale Infektionen sind aber heutzutage sicherlich sehr selten.
Wie werden die Informationen für das Projekt Tattoo inK gesammelt und welche Methoden nutzen Sie, um herauszufinden, wie die Tattoo-Farben die Gesundheit beeinflussen könnten?
„Gesammelt werden die Informationen innerhalb der NAKO Gesundheitsstudie per Fragebogen, entweder Online oder auf Papier. Der Fragebogen, der auch in einer Bevölkerungsstudie in Frankreich eingesetzt wird, besteht aus rund 30 Fragen zu visuellen Faktoren wie Fläche oder Farben des Tattoos, kontextuelle Faktoren wie zum Beispiel wann, unter welchen Umständen und in welchem Land die Tattoos gestochen wurden, sowie Fragen zu unerwünschten Nebenwirkungen, zur Sonnenexposition und zur Tattooentfernung.“
Die Daten der Studie werten wir statistisch im Längsschnitt aus, indem wir die tätowierten und nicht-tätowierten NAKO-Teilnehmenden bezüglich des Auftretens zukünftiger Krebserkrankungen vergleichen. Die Erforschung dieser Zusammenhänge beobachtet den gesundheitlichen Verlauf der Teilnehmenden über viele Jahre, daher werden die Auswertungen und Erkenntnisse noch eine Weile dauern. Wir werden uns bis dahin jedoch sicherlich schon die Querschnittsdaten anschauen. Hier können wir beispielsweise dann Aussagen zur Häufigkeit von Nebenwirkungen durch die Tätowierungen innerhalb der befragten Personen machen können.
Gibt es bereits erste Ergebnisse aus der NAKO oder aus der Partnerstudie der französischen Bevölkerungsstudie Constance, die derzeit ein ähnliches Projekt durchführt?
Aus der NAKO Gesundheitsstudie selber gibt es derzeit noch keine Ergebnisse, da die Erhebung der Tätowierdaten eben erst abgeschlossen ist und die Daten der Papierfragebögen zunächst noch eingegeben werden müssen bevor sie zur Analyse bereit stehen. Die Partnerstudie in Frankreich ist da schon etwas weiter. Erste Analysen der Daten haben das Hepatitis C Risiko deutlich gemacht. Es war in der Studie fast fünf Mal so hoch bei Probanden und Probandinnen, die sich nicht in Tätowierstudios haben tätowieren lassen, im Vergleich zu denen, welche in Studios tätowiert wurden oder gar nicht tätowiert waren. Dieses Erkenntnis ist auch deshalb wichtig, da Hepatitis C Infektionen selbst das Lymphomrisiko erhöhen und dieser Zusammenhang in entsprechenden späteren Analysen berücksichtigt werden muss.
„Erste Analysen der Daten [der französischen Bevölkerungsstudie Constance] haben das Hepatitis C Risiko deutlich gemacht. Es war in der Studie fast fünf Mal so hoch bei Probanden und Probandinnen, die sich nicht in Tätowierstudios haben tätowieren lassen, im Vergleich zu denen, welche in Studios tätowiert wurden oder gar nicht tätowiert waren.“
Welche Rolle spielt die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) in dem Projekt?
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg leitet die Studie in Zusammenarbeit mit der internationalen Krebsforschungsagentur (International Agency for Research on Cancer; IARC) in Lyon, welche der WHO angehört. Die Zusammenarbeit mit der IARC/WHO hat den Vorteil, dass etwaige Ergebnisse sehr schnell zur Entwicklung und Implementierung notwendiger Präventionsprogramme, auch auf internationaler Ebene, führen können.
Wer kann an der Befragung zu Tatoo ink teilnehmen?
Die Teilnahme an Tattoo inK ist für alle Teilnehmenden der NAKO möglich, die mindestens eine Tätowierung haben oder hatten. Die Teilnahme ist selbstverständlich freiwillig.